Mittwoch, 15. Januar, 2025
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Das digitale Fundament für Führungskräfte – Parameter und Komponenten als Umsetzungsbeschleuniger

Übergeordnete Konzepte und gemeinsames Systemdenken haben vor 140 Jahren dazu geführt, dass an der Jahresversammlung des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA die erste Normierungsarbeit verabschiedet worden ist: Die Festlegung des Normalformats für Schweizer Backsteine. Was das mit der Entwicklung von Software- Komponenten zu tun hat, schildert der 3. Teil dieser Artikelserie für Führungskräfte.

Es gäbe keine Grenzen bezüglich der Dinge, die man betrachten kann. So endete Teil 2 der
Serie. Und daran knüpfe ich nun an. Diese Offenheit hat einerseits grosse Vorteile, andererseits kann der Überblick über das zu Digitalisierende abhandenkommen: Schliesslich lässt sich alles mehr oder weniger digitalisieren.

Was bedeutet das? Die Digitalisierung entspricht meiner Sicht nach der «Vorratshaltung von parametrisierten Daten-Bearbeitungs und Nutzungsmöglichkeiten.»

Die einzelnen Wörter der Definition verstehe ich dabei folgendermassen und müssen stets
zusammenhängend betrachtet werden:

  • Die Digitalisierung ist weder eine kurzfristige noch eine einmalige Sache. «Vorratshaltung» bezieht sich auf das immer wieder zum gewünschten Zeitpunkt Durchführen-Können der Funktion, stets wenn der an den Computer delegierte Prozess nachgefragt wird.
  • Mit «parametrisiert» wird die Tatsache umschrieben, dass eine gute digitale Lösung
    ohne Umprogrammierung auf verschiedene Situationen reagieren kann. Massgeblich
    sind Veränderungen an den Eingabewerten, also an den Parametern. Ein Beispiel dazu
    ist die Suche über Google, wo als Parameter, die im Internet zu suchenden Begriffe
    eingegeben werden. Die Suchmaschine kann diese auswerten und die dazu passende
    Resultatmenge liefern, sortiert nach einer definierten Wichtigkeit.
  • «Daten» als strukturierte Beschreibung der realen, analogen Welt sind der Grundbestandteil der digitalen Welt und führen dazu, dass Sachverhalte über die Zeit beurteilt werden können.
  • «Bearbeitung» umfasst alle Aktionen und Vergleiche, die auf die Daten angewendet werden können.
  • «Nutzung» beschreibt den Umgang mit dem Resultat, welches wieder in die analoge Form rückübersetzt werden muss, so dass die Daten und Informationen sinnförmig vorliegen, so dass sie in der realen Welt einen Nutzen bringen.
  • Das Wort «Möglichkeit» soll darauf hinweisen, dass die für den Computer vorliegende Ausführungsvorschriften durch den Menschen situationsbezogen beurteilt werden sollen, aber wenn sie nicht passen, nicht angewendet werden müssen.

Aus diesen sechs Punkten lassen sich weitere ableiten, welche unter dem Aspekt der Führung von Bedeutung sind:

a) Unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten wird bei einer digitalen Lösung immer in
die Zukunft investiert. Buchhalterisch wäre das ein klassischer Fall für eine Investition,
welche anschliessend über die Jahre abgeschrieben werden müsste. Der Programmcode altert nicht. Er kann wegen seiner Materienlosigkeit auf neue Situationen übertragen werden. Es lohnt sich umso mehr, beim Projektstart zukunftsorientiert zu denken.


b) Aktuelle Daten, die stets in Parameterform als Attribut-Wertepaare vorliegen, ermöglichen den Transfer in den passenden Zeitpunkt.


c) Unabhängig von der Anzahl der Durchführungen des programmierten Prozesses, müssen
alle Programmbestandteile schon bei der ersten Durchführung vollständig ausprogrammiert
sein. Im Gegensatz zur klassischen Sichtweise in der analogen Welt, stehen die Ressourcen, worunter auch der Programmcode und die Daten zu zählen sind, unverbraucht für den nächsten Durchlauf zur Verfügung.


d) So ergibt sich ein unmittelbarer Aufwand bei der Erstellung der Anwendung. Die Erträge
sind wiederkehrend und können bei jeder Prozessanwendung in Anspruch genommen werden. Auch die Grenzkosten, also die Kosten, welche beim Auslösen eines zusätzlichen Prozesses anfallen, gehen gegen null, mal abgesehen von der Datenaufbereitung und den Betriebs- inkl. den Bedienungskosten. Deshalb sind in frühen Phasen von Digitalisierungsprojekten Überlegungen für einen effizienten Betrieb unausweichlich.


e) Ein grosses Potential besteht darin, dass unzählige Ergänzungen denkbar sind, z.B. über
weitere Datenbearbeitungsschritte aber auch über weitere Nutzungs-, Auswertungs- und
Darstellungsmöglichkeiten auf dem Übergang zur realen Welt.

Parameter in der Google-Suche

Das ist direkt im Internet-Browser verfolgbar, z.B. bei Google: Wird dort der Begriff «Fundament» erfassen, finden Sie anschliessend in der URL-Zeile den Suchbegriff, wie hier im Parameter «q» (= question, Frage) und dem Wert «Fundament»:

https://www.google.ch/search?q=Fundament

Anstatt über die Eingabemaske können Sie auch direkt den Parameter «q» ändern, z.B. in
«q=Balkon» und Sie erhalten sofort das Resultat. Welche Parameter für eine bestimmte Aufgabe ausschlaggebend sind und welche Werte sie annehmen können ist eine wichtige Frage, die seriös behandelt werden muss. Es können auch mehrere Parameter übergeben werden und auch diese müssen genau bestimmt werden. Zu diesem Zweck macht es Sinn, zusammengehörige Funktionen in Software-Komponenten zusammenzunehmen. Diese können eine genau umschriebene Aufgabe übernehmen. Und auch diese Komponenten können wiederum auf anderen aufbauen.

Analogie Mitarbeiter – Software-Komponente

Als Führungsperson sind Sie stets gefordert, das Potential der Mitarbeitenden auszunutzen und wo notwendig die passenden Ergänzungen vorzunehmen. Analog verhält es sich mit dem Umgang mit Software-Komponenten:

i) Haben Sie schon einen Mitarbeitenden, der die gewünschte Aufgabe zu Ihrer Zufriedenheit erledigt hat, bauen Sie auf diesem auf. Genau so, soll auf der passsenden und bereits erfolgreiche eingesetzten und getesteten Software-Komponente aufgebaut werden.

ii) Finden Sie den Mitarbeitenden aus Ziffer i) nicht, dann suchen Sie jemanden, der bereits
die Aufgabe in möglichst ähnlichen Art erledigt hat. Mit Selbststudium oder Weiterbildung
bringen Sie ihn dazu, dass auch die neue Aufgabe bewältigt werden kann. Bei einer Software-Komponente wird auf der derjenigen aufgebaut, die schon möglichst ähnlich funktioniert. Eingabe, Berechungsanweisungen und Ausgabe werden entsprechend ergänzt.

iii) Als Alternative zu ii) können Sie eine Person neu rekrutieren, welche die geforderten
Kenntnisse mitbringt. In diesem Sinne können Sie Komponenten als Ganzes einkaufen
(lassen) und dann von den Spezialisten ins Gesamte einbauen lassen. Nicht zu unterschätzen sind auch Lösungen aus der OpenSource-Bewegung.

iv) Jemanden komplett ohne Kenntnisse würden Sie kaum anstellen. So wird heute auch jede Software-Komponente von irgend einer passenden Grundlage aus weiterentwickelt.
Unterschiedlich ist dann nur der Grad der eigenen Anstrengung. Und selbstverständlich
müssen auch diese Komponenten schlussendlich wieder zum Gesamtsystem passen und
entsprechend integriert werden.

Der Kleber der digitalen Welt

Auf Software-Komponenten baut die digitale Welt auf. APIs, Application Programme
Interface, eine Form von Komponenten, seien der Kleber, der unsere digitale Welt
zusammenhält, mein Kai Spichale in seinem Buch «API-Design». Zum Komponenten-Aufbau gibt es heute anerkannte Regeln.

Vor 140 Jahren, als der SIA an der Jahresversammlung vom 16. bis 18. Juni 1883 In Zürich
die erste Normierungsarbeit verabschiedet hat, hat es digitale Software-Komponenten noch
nicht gegeben, auch der Begriff «digital» ist erst ab 1938 verwendet worden. Trotzdem gibt es eine Analogie: Damals hat sich ein Teil der gebauten Welt auf Backsteinen aufgebaut. Mit Mörtel sind sie stabil verklebt worden. Auch die Backsteine müssen zusammenpassen. Und konnte der eine Produzent nicht mehr liefern, dann haben oft die Produkte der anderen nicht zusammengepasst. Kein Wunder, dass die erste Normierung das Format der Backsteine betroffen hat: 25 x 12 x 5 cm, ein erster Schritt zum Aufbau eines gemeinsamen Bausystems.

Kombinierbare Teile, genaue Definitionen und der Wille zur Zusammenarbeit sind
massgebliche Erfolgsfaktoren, auch bei den Arbeiten an der digitalen Welt. Im
abschliessenden 4. Teil dieser Serie wird der Lebenszyklus von digitalen Lösungen das
Thema sein, wiederum geschildert aus der Perspektive für Führungspersonen.

Das digitale Fundament für Führungsleute
1      Wider die digitale Machtlosigkeit (buildup-Magazin 2/2021)
2      Die Macht der Rekursion und die Rolle der Mathematik (3/2021)
3      Parameter und Komponenten als Umsetzungsbeschleuniger (4/2021)
4      Der Weg zum wirksamen Lebenszyklus von digitalen Lösungen (1/2022)

Dr. Urs Wiederkehr (*1961), Dipl. Bau-Ing. ETH/SIA, ist Leiter Fachbereich «Digitale Prozesse» auf der Geschäftsstelle des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA.

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