Herr Grisard, gibt es bei HIAG eine Art Idealprozess der Arealentwicklung?
Felix Grisard: Einen Idealprozess, der auf alle Areale angewendet werden kann, gibt es nicht. Denn bei jedem Areal stellen sich ganz individuelle Herausforderungen. Ideal ist der Prozess immer dann, wenn daraus ein nachhaltiges Areal entsteht und dieses eine gute Zukunft vor sich hat. Hinzu kommt, dass eine Entwicklung für HIAG natürlich auch einen finanziellen Erfolg darstellen muss.
Welche Kriterien bestimmen die Richtung in der Entwicklung eines Areals?
Felix Grisard: Der Mix muss stimmen. Ein guter Mix bestimmt auch die Qualität und eine nachhaltige Entwicklung. Jedes Areal entwickelt sich über einen gewissen Zeitraum hinweg, oft über viele Jahre. In diesem Zeitraum verändert sich vieles, das müssen wir berücksichtigen. Die Entwicklung der Verkehrsadern ist dafür exemplarisch. Immer bessere Zugverbindungen mit kürzeren Takten rücken viele Orte näher an die Zentren und machen sie zu attraktiven Lebensräumen.
Herr Reber, das ehemalige Industrieareal befindet sich in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Pratteln und soll mittels Quartierplanverfahren in eine Wohn- und Gewerbezone mit einer Nutzungsziffer von circa 2.0 umgezont werden. Wie beurteilen Sie dieses Vorhaben?
Isaac Reber: Früher war das Areal ein guter Standort für die Industrie. Aber heute, wo man pro Stunde sechs S-Bahn-Verbindungen nach Basel hat, vier nach Liestal und zwei Richtung Rheinfelden, ist es nicht sinnvoll, dass an diesem zentralen Standort weiterhin eine industrielle Produktion stattfindet. Wenn wir unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit in die Zukunft schauen, dann muss man Ja sagen zu städtebaulichen Entwicklungen an solchen Orten, die so gut erschlossen sind. Aber zur Dichte gehört immer auch Qualität. Der Studienwettbewerb, den HIAG 2020/21 zusammen mit Vertretern von Gemeinde und Kanton durchgeführt hat, hat die Potenziale und den Mehrwert für Pratteln aufgezeigt und die Grundlagen für die aktuelle Entwicklung geschaffen. Pratteln hat für uns einen sehr hohen Stellenwert und ist in mehrfacher Hinsicht von kantonaler Bedeutung. Deshalb sind wir sehr daran interessiert und begrüssen es, dass die Entwicklung des Areals durch HIAG stattfindet.
«Dass die HIAG hier sofort bereit war, die Verantwortung zu übernehmen, haben wir als sehr positiv und erfreulich wahrgenommen.» Isaac Reber, Regierungsrat Basel-Landschaft
Wie bringt HIAG seine Interessen mit denen der jeweiligen Region/ Gemeinde in Einklang? Wie und auf welchen Ebenen wird kommuniziert?
Felix Grisard: Voraussetzung ist ein Prozess, in dem gegenseitig Vertrauen aufgebaut wird. Auf dieser Basis entsteht die gegenseitige Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Diese Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privaten sollte nicht von kurzfristigem Profit getrieben sein, sondern von dem Streben nach langfristigen und positiven Lösungen. Wichtig ist dabei eine gute Kommunikation, denn nur so erreicht man gesteckte Ziele. Natürlich gehen die Meinungen und Bedürfnisse auch einmal in unterschiedliche Richtungen, aber dann muss man eben vernünftige und für beide Seiten zielführende Kompromisse finden. Auf diesem Gebiet haben wir mittlerweile viel Erfahrung und ich denke, dass HIAG von der öffentlichen Hand als eine Partnerin wahrgenommen wird, der man vertrauen kann.
Wie wird die Bevölkerung in die Entwicklung des Kantons und die Planung solcher Vorhaben miteinbezogen?
Isaac Reber: Die Bevölkerung, die von einem solchen Projekt betroffen ist, ist ja in erster Linie die Bevölkerung einer Gemeinde. Wir, also der Kanton und HIAG, arbeiten auf einer anderen Ebene, auf technischer Ebene, sehr gut zusammen. Der Nutzungsplan wird von der Gemeindeversammlung verabschiedet, und deshalb ist es in erster Linie wichtig, dass nicht nur die Nachbarn, sondern die gesamte Bevölkerung von Pratteln wirklich einbezogen wird. Das macht die HIAG, zusammen mit der Gemeinde, vorbildlich, sie sucht aktiv den Austausch mit der Bevölkerung und allen Stakeholdern und lädt regelmässig zu Informationsveranstaltungen ein. Der Dialog mit den Anrainern und der Gemeinde Pratteln funktioniert also sehr gut. Der Kanton wiederum hat einen guten Kontakt mit der Gemeinde Pratteln auf politischer und auf Verwaltungsebene.
Das Areal GLEIS SÜD ist der ehemalige Standort der Chemiefabrik Rohner, es ist im Kataster belasteter Standorte als sanierungsbedürftiger Betriebsstandorteingetragen. Welche Herausforderungen stellten sich dadurch dem Kanton?
Isaac Reber: Bei der Betriebseinstellung der Firma Rohner im Jahr 2019 lagerten auf dem Areal und in den Gebäuden rund 15’000 Tonnen an verschiedenen Chemikalien, die fachgerecht entsorgt werden mussten. Auch die Anlagen haben zum Teil noch gefährliche Stoffe enthalten, und das kann man nicht einfach stoppen, das muss man herunterfahren und am Schluss das Ganze entleeren und fachgerecht entsorgen. Dass die HIAG hier sofort bereit war, die Verantwortung zu übernehmen, haben wir als sehr positiv und erfreulich wahrgenommen. Wir haben dann auch nicht lange gebraucht, um uns zu finden und zusammen die nächsten Schritte zu planen. Das hat den Entwicklungsprozess letztendlich sogar beschleunigt. Zurzeit laufen die Untersuchungen des Untergrunds auf Hochtouren, um die nötige altlastenrechtliche Sanierung unter Aufsicht des Kantons zeitnah weiter und optimiert an die Hand nehmen zu können.
HIAG hatte nach dem Konkurs der Rohner AG erhebliche Mehrkosten bzw. Verluste. Wie kalkulieren Sie solche Unwägbarkeiten in einem Projekt mit ein?
Felix Grisard: HIAG hat ja viele Areale mit industrieller Vergangenheit. Im Umgang mit Schadstoffen und Altlasten haben wir bereits in der Vergangenheit sehr viel Know-how entwickelt. Im Fall Pratteln hatten wir speziell grosse Umweltthemen, die unerwartet und direkt nach dem Kauf zu «verkraften» waren. Für die Kommunikation mit den Investoren war das sehr unangenehm und schwierig. Heute steht da glücklicherweise ein Areal mit sehr guten Zukunftsaussichten, das aber seinen Preis hatte. Ich bin der Ansicht, dass man als solventer Besitzer eines Areals auch in so einem schwierigen Fall Verantwortung übernehmen muss. Es ist eine Frage des Anstands, dass man in dieser Situation auch Hand bietet. Dazu braucht es ein langfristiges Denken.
Was hat sich für den Kanton durch den Eigentümerwechsel von Rohner zu HIAG verändert?
Isaac Reber: Ich glaube, sowohl die HIAG als auch wir waren von dem sehr plötzlichen Ende der Chemiefabrik Rohner überrascht. Wir waren davon ausgegangen, dass es mittelfristig eine Transformation gibt auf diesem Areal und um den Bahnhof Pratteln. Wir mussten uns am Anfang finden, aber allen war bewusst, dass wir das in Ordnung bringen müssen. Das hat sehr effiziente Prozesse ermöglicht, die nun dazu beitragen, dass das Areal auch umwelttechnisch wieder auf den gesetzlich vorgeschriebenen Stand kommt.
«Es ist eine Frage des Anstands, dass man in dieser Situation auch Hand bietet. Dazu braucht es ein langfristiges Denken.» Dr. Felix Grisard, Verwaltungsratspräsident HIAG
Das Thema Nachhaltigkeit spielt für HIAG in seiner Geschäftstätigkeit eine grosse Rolle. Wie und in welchen Bereichen fördern Sie dieses Thema?
Felix Grisard: HIAG lebt Nachhaltigkeit schon seit den Anfängen in der Immobilienbranche, weil wir sehr langfristig orientiert sind. Heute geht es für uns als Unternehmen auch darum, dass man wirklich Fortschritte zeigen kann und das messbar macht. Unsere Areale werden entsprechend Minergie- oder SNBS-zertifiziert, da entwickeln wir uns ständig weiter. Mir ist es wichtig, dass diese Nachhaltigkeit nicht nur ein Ding der Börse ist und der Aufsichten, die es dort gibt, sondern dass gelebte Nachhaltigkeit ein Teil unserer Kultur wird. Denn Papiertiger wurden schon zu viele geboren.
Herr Reber, wie zuversichtlich sehen Sie in die Zukunft?
Isaac Reber: Veränderungen finden überall statt, wir müssen sie antizipieren, wir müssen sie akzeptieren, wo sie unumgänglich sind, und vor allem müssen wir etwas Produktives für die Zukunft schaffen. Ich glaube, da haben wir hier in Pratteln, aber auch insgesamt im Baselbiet eine sehr gute Ausgangslage, um für die kommenden Generationen die notwendigen und zukunftsfähigen Transformationen zu schaffen.
Herr Grisard, welche Ziele hat HIAG für die Zukunft?
Felix Grisard: Wir verstehen uns als Strukturwandler und haben die gleichen Interessen wie die Gemeinden. Auch wir wollen, dass aus Altem wieder Neues wird. Da wir Eigentümer sind und bleiben, möchten wir etwas wirklich Langfristiges erschaffen. So können wir auch einen Mehrwert für alle daraus generieren.