Sie erinnert an eine Satellitenschüssel oder an ein Gerät für die Telekommunikation; eine unscheinbare Parabolantenne auf dem EPFL-Campus in Lausanne. Die Schüssel sei aber etwas Besonderes, heisst es in einer Mitteilung der Hochschule von Montag. Denn sie funktioniere wie ein «künstlicher Baum»; ein Reaktor über der Antenne bündelt die Sonnenstrahlen fast 1000-Fach und wandelt damit Wasser in erneuerbaren Wasserstoff, Sauerstoff und Wärme um.
Solare Wasserstofferzeugung auf Systemebene
Die Entwicklung sei die erste Demonstration der solaren Wasserstofferzeugung auf Systemebene, wird Sophia Haussener, Leiterin des Laboratory of Renewable Energy Science and Engineering (LRESE) an der EPFL, zitiert. Im Gegensatz zu Demonstrationen im Labormassstab umfasse sie alle Zusatzgeräte und Komponenten, so dass man eine bessere Vorstellung von der zu erwartenden Energieeffizienz erhalte.
«Mit einer Ausgangsleistung von über zwei Kilowatt haben wir die Ein-Kilowatt-Grenze für unseren Pilotreaktor geknackt und gleichzeitig einen rekordverdächtigen Wirkungsgrad für diesen grossen Massstab erreicht.» Die in dieser Arbeit erreichte Wasserstoffproduktionsrate ist laut Haussener ein ermutigender Schritt in Richtung einer kommerziellen Umsetzung der Technologie.
Die Arbeit baut auf vorläufigen Forschungsergebnissen auf, die das Konzept im Labormassstab unter Verwendung des High-Flux-Solarsimulators des LRESE demonstrierten und 2019 in der Fachzeitschrift «Nature Energy» veröffentlicht wurden. Nun hat das Team in derselben Zeitschrift die Ergebnisse ihres hochskalierten Prozesses unter realen Bedingungen veröffentlicht.
Quelle: LRESE EPFL
Forscher der EPFL haben auf dem Campus in Lausanne einen Solarreaktor im Pilotmassstab gebaut. Dieser kann mittels Sonnenenergie Wasserstoff produzieren – und liefert dabei nutzbare Wärme und Sauerstoff.
Eine künstliche Photosynthese
Die Wasserstoffproduktion aus Wasser mit Hilfe von Sonnenenergie wird als künstliche Photosynthese bezeichnet. Gemäss Mitteilung ist das LRESE-System einzigartig, weil es daneben auch Wärme und Sauerstoff in grossem Massstab produzieren kann.
Nachdem die Schüssel die Sonnenstrahlen konzentriert hat, wird Wasser in den Brennpunkt gepumpt, wo sich ein photoelektrochemischer Reaktor befindet. Darin nutzen photoelektrochemische Zellen die Sonnenenergie, um Wassermoleküle zu elektrolysieren oder in Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten. Dabei wird auch Wärme erzeugt, die durch einen Wärmetauscher geleitet wird, so dass sie etwa für die Raumheizung genutzt werden kann.
Neben den primären Outputs des Systems – Wasserstoff und Wärme – werden auch die bei der Photoelektrolyse-Reaktion freigesetzten Sauerstoffmoleküle zurückgewonnen und genutzt. «Sauerstoff wird oft als Abfallprodukt angesehen, aber in diesem Fall kann er auch genutzt werden, zum Beispiel für medizinische Anwendungen», sagt Haussener.
System-Skalierung im «künstlichen Garten»
Das System eignet sich laut Mittelung der EPFL für industrielle, gewerbliche und private Anwendungen. Das LRESE-Spinoff «SoHHytec SA» setzt es bereits ein. Das Start-up arbeitet dafür mit einer Schweizer Metallproduktionsstätte zusammen, um eine Demonstrationsanlage im Multi-100-Kilowatt-Massstab zu bauen, die Wasserstoff für Metallglühprozesse, Sauerstoff für nahe gelegene Krankenhäuser und Wärme für den Warmwasserbedarf des Werks produzieren wird.
«Mit der Pilotdemonstration an der EPFL haben wir einen wichtigen Meilenstein erreicht, indem wir eine noch nie dagewesene Effizienz bei hohen Leistungsdichten demonstriert haben», sagt Saurabh Tembhurne, Mitbegründer und CEO von SoHHytec. Das Team sei nun dabei, das System in einem «künstlichen Garten» zu skalieren – darin werden mehrere dieser «künstlichen Bäume» auf modulare Weise eingesetzt.
Quelle: LRESE EPFL
Der Solar-Reaktor oberhalb der Antenne bündelt die Sonnenstrahlen fast 1000-Fach und wandelt damit Wasser in erneuerbaren Wasserstoff, Sauerstoff und Wärme um.
Energie für Industrie und Haushalte
Das System könnte laut der EPFL für die Zentralheizung und Warmwasserbereitung in Privathaushalten und Unternehmen sowie für den Betrieb von Wasserstoff-Brennstoffzellen eingesetzt werden.
Bei einer Leistung von etwa einem halben Kilogramm Solarwasserstoff pro Tag könne das System auf dem EPFL-Campus rund 1,5 Wasserstoff-Brennstoffzellenfahrzeuge antreiben, die eine durchschnittliche Jahresstrecke zurücklegen. Aber auch mehr als die Hälfte des jährlichen Wärmebedarfs eines typischen Schweizer Vier-Personen-Haushalts könne es decken.
Während das künstliche Photosynthesesystem auf dem besten Weg zur Serienreife ist, forscht Haussener bereits an neuen technologischen Wegen. So arbeitet das Labor etwa an einem gross angelegten solarbetriebenen System, das Kohlendioxid anstelle von Wasser spaltet und so Synthesegas für Flüssigtreibstoff oder den grünen Kunststoffvorläufer Ethylen liefert. (mgt/pb)
Zur publizierten Arbeit im Fachmagazin «Nature Energy»: www.nature.com/articles/s41560-023-01247-2