Es ist ein rauer Ort, lärmig, düster, geprägt von viel Beton: Auf den 800 Metern der Hardstrasse zwischen Bahnhof Hardbrücke und Escher-Wyss-Platz wirkt Zürich zwar ziemlich urban, aber auch eher unwirtlich.
Das soll sich ändern, wenn es nach dem Willen der Interessengemeinschaft Zentrum Hardbrücke (IGZH) geht. Diese legt in einem neuen Sonderheft der Architekturzeitschrift «Hochparterre» Pläne für eine radikale Umgestaltung der Verkehrs- und Parkierungsachse unter der Hardbrücke vor. Das Gebiet soll zu einer verkehrsberuhigten Begegnungszone und einem lebendigen Quartierzentrum für Zürich-West aufgewertet werden.
Im Auftrag der IGZH hat eine Gruppe aus Architekten, Stadtentwicklerinnen, Soziologen, Verkehrsplanerinnen und Landschaftsarchitekten ein städtebauliches Konzept für eine vom Verkehr befreite «Säulenhalle» erarbeitet. Der Begriff leitet sich ab von den 33 Betonsäulenpaaren, welche die 1972 erbaute Hardbrücke tragen.
«Gebot der stadtplanerischen Vernunft»
«Befreien wir den Raum unter der Hardbrücke vom Verkehr, und lassen wir stattdessen einen besonderen städtischen Ort entstehen – die Säulenhalle!», schreibt die Arbeitsgruppe in ihrem Manifest. Vom Aufgang des Bahnhofs Hardbrücke bis zum Escher-Wyss-Platz soll sich anstelle des «dunklen, trostlosen und gefährlichen Niemandslands» ein gedeckter öffentlicher Platz erstrecken, «wo flaniert, gespielt und Sport getrieben werden kann».
«Dieser Raum unter der Brücke hat riesiges Potenzial», ist der Architekt Martin Hofer überzeugt. Ihn neu zu nutzen – und zwar besser heute als morgen –, sei ein «Gebot der stadtplanerischen Vernunft». Die Betonsäulen spannen in den Augen Hofers einen für Zürich «ungewöhnlich grosszügigen Raum auf». Hier könnten künftig Märkte und Quartierfeste, Läden und Cafés, ein Open-Air-Kino und Werkstätten, Sitzbänke und Sportflächen Platz finden.
Hofer, einst Mitgründer der Immobilienberatungsfirma Wüest Partner, gehört zusammen mit «Hochparterre»-Mitgründer Köbi Gantenbein und dem Stadtentwickler Alain Thierstein zu den treibenden Kräften der IG Zentrum Hardbrücke. Mit von der Partie ist zudem die private Stiftung Hamasil, die sich nach eigenen Angaben für eine nachhaltige Entwicklung in Zürich-West einsetzt.

Städtisches Wohnhochhaus statt Autowäsche
Und so stellt sich die Arbeitsgruppe die «Wiederbelebung des Zürcher Unorts» konkret vor:
- Alle 180 Parkplätze werden aufgehoben, was 2000 Quadratmeter neue Aufenthaltsfläche freispielen würde. Einige Taxistellplätze und Güterumschlagplätze sollen erhalten bleiben.
- Der Autoverkehr unter der Brücke wird unterbunden. Die Josef- und die Schiffbaustrasse werden zu Sackgassen mit Wendeplätzen. Autos fahren künftig nur noch via Pfingstweidstrasse/Neue Hard unter der Brücke durch.
- Das Tramtrassee wird von der Mitte der Hardstrasse auf die westliche Seite der Strasse verlegt. Das erhöhe die Sicherheit von Fussgängern und Velofahrerinnen, sind die Initianten überzeugt.
- Vorläufig weiterfahren sollen die Güterzüge der Swissmill, die zweimal täglich Getreide vom Güterbahnhof zur Swissmill an der Limmat transportieren.
- Dank der Umgestaltung bekäme der von 50’000 Menschen pro Tag frequentierte Bahnhof Hardbrücke einen echten Bahnhofplatz. Der Güterumschlag und das Bringen und Holen von Bahnpassagieren soll weiterhin möglich sein.
- Unterhalb und neben der Hardbrücke sollen mehrere Plätze entstehen und für eine bessere Vernetzung des Quartiers sorgen.
- Auf dem 2027 frei werdenden Areal der Autowaschanlage, das der Stadt gehört, soll ein Wohnhochhaus mit gemeinnützigen Wohnungen entstehen. Damit werde die Gegend zusätzlich belebt.
- Weil die Hardbrücke einen Wetterschirm bilde, eigne sich der Boden darunter ideal für ein Freiluftangebot, heisst es im Manifest weiter. Aber auch einfach rückbaubare Boxen mit Läden, Gastronomie, Werkstätten, Ateliers und Büros liessen sich dort platzieren.
- Die «Säulenhalle» ermöglicht laut den Initianten auch mehr Grün: entsiegelte Flächen mit Sträuchern, Pflanzen an den Stützen sowie Bäume.
Kosten: 40 bis 50 Millionen Franken
Martin Hofer ist überzeugt, dass sich die «Säulenhalle» rechtzeitig auf den 60. Geburtstag der Hardbrücke im Jahr 2032 realisieren liesse. Die Gesamtkosten schätzt er auf 40 bis 50 Millionen Franken, wovon etwa die Hälfte auf die Tramverlegung entfallen würde. Diese Kosten würden aber ohnehin anfallen, da die VBZ regelmässig nach zehn bis zwanzig Jahren die Gleise erneuern müssten.
Der Architekt versteht den provokativen Vorschlag auch als Weckruf für die Stadt, das Stadtparlament und die Bevölkerung. «Unser Projekt zeigt, was in Zürich-West möglich wäre – oder besser: dringend notwendig ist.»
Stadt prüft Aufhebung von Parkplätzen
Bei der Stadt stossen die Pläne der IGZH auf offene Ohren. «Die Stadt ist offen für innovative Ansätze, die dazu beitragen, Zürich-West zu einem noch lebendigeren und attraktiveren Stadtteil zu machen», sagt Jessica Van Wezemael, Sprecherin von Tiefbauvorsteherin Simone Brander (SP).
Bereits heute treibe die Stadt entlang der Hardstrasse verschiedene Projekte zur Aufwertung des öffentlichen Raums voran. Dazu gehörten Massnahmen zur Verbesserung der Velo- und Fussgängerinfrastruktur sowie die «Prüfung zur Aufhebung von Parkplätzen». Ziel sei es, öffentliche Parkplätze im Strassenraum in umliegende Parkhäuser zu verlagern. Kein Thema derzeit ist laut Van Wezemael dagegen die Verlegung des Tramtrassees.
Bürgerliche lehnen Parkplatzabbau ab
FDP-Fraktionschef Michael Schmid hält die einseitige Bekämpfung von Parkplätzen und Autoverkehr für «diskriminierend und anti-urban». Die vielfältige Erreichbarkeit sei Voraussetzung für ein lebendiges Zürich-West. Aufwertungen durch neue Nutzungen stehe die FDP positiv gegenüber.
Auch SVP-Gemeinderat Stephan Iten stört sich am Abbau von Parkplätzen. «Wenn die Stadt lebendig und attraktiv bleiben soll, braucht es für das ansässige Gewerbe und die Detailhandelsbetriebe genügend Parkplätze. Die Bars und Restaurantbetriebe sind auf auswärtige Kundschaft angewiesen.»
Markus Knauss von den Grünen spricht dagegen von einer «originellen Idee» für einen «spannenden städtischen Raum». Das Tramtrassee zwischen den Stützen hält er für suboptimal. SP-Gemeinderat Marco Denoth hält die Idee der Gruppe ebenfalls für sympathisch, sie decke sich mit den Zielsetzungen des kommunalen Richtplans.